Wilhelm II by Clark Christopher
Author:Clark Christopher [Christopher, Clark]
Language: deu
Format: epub
Publisher: E Books der Verlagsgruppe Random House
Published: 2010-04-03T22:00:00+00:00
Dann macht der Kaiser beim Sprechen hie und da kurze Pausen, man sieht ihm an, wie er nachdenkt, die Stirn sich faltet, und das Auge in der Ferne sucht, bis das Kettenglied gefunden ist, das sich als natürliche und folgerichtige Fortsetzung an das zuletzt gesagte anfügen lässt. Ist aber der Gedanke gefunden, dann gibt es keine Unterbrechung in der Rede, in sicherem Fluss trägt ihn das Wort bis ans Ende.14
Der Kulturhistoriker Karl Lamprecht, der Wilhelm mit eigenen Augen gesehen hat, schreibt in einem ähnlichen Ton von der »vollen, sonoren Stimme« des Kaisers, dem »immer lebhafter werdenden Minenspiel« und der »zu voller Tätigkeit aufsteigenden Gestikulation«. »Der Kaiser«, so Lamprecht, »wurde Redner vom Scheitel bis zur Zehe.«15 Auf dieser schauspielerischen und technischen Ebene erwies sich Wilhelm somit als sicherer Meister öffentlicher Auftritte. Hingegen war der Inhalt seiner öffentlichen Äußerungen häufig katastrophal fehl am Platze. Es ist wohl keine Übertreibung zu behaupten, dass das Ansehen des Kaisers – sowohl unter Zeitgenossen als auch unter späteren Historikern – weit mehr unter dem gelitten hat, was er sagte, als unter dem, was er tat oder veranlasste.
Die Wurzel des Problems lag nicht zuletzt in der direkten, unüberlegten Art Wilhelms, sich zu Themen zu offenbaren, die ihm gerade am Herzen lagen. Im November 1890 brach Wilhelm beispielsweise anlässlich der Rekrutenvereidigung beim Garderegiment zu Potsdam mit der Konvention und hielt eine persönliche Ansprache. Er stellte fest, »es gehe ein Geist des Widerspruchs, der Auflehnung und Empörung durch das Land«, und warnte die Truppen, niemals »den Verführern und Hetzern Gehör zu schenken«, denn: »Sie gehörten jetzt ihm und müssten bereit sein, eventuell selbst auf ihre Väter und Brüder zu schießen, wenn er es ihnen befehle.«16 Wilhelms Vernarrtheit in dieses Thema, auf das er in diesem Jahrzehnt immer wieder zu sprechen kam,17 spiegelte eine tiefe Angst um die Sicherheit des Throns wieder – eine Überzeugung, wie der niederländische Gesandte in Berlin 1901 berichtete, dass »der Respekt vor der Autorität unter der Bevölkerung seit dem Tod Wilhelms I. geschwunden sei […]«.18 In den umstrittenen Äußerungen von 1890 schwangen jedoch auch damals weitverbreitete Befürchtungen mit. Wie gesagt, ging die SPD aus den Wahlen in diesem Jahr als erfolgreichste Partei hervor, was die absolute Zahl der Wählerstimmen anging. Da allgemein angenommen wurde, dass die Stimmen für die SPD ausschließlich aus der deutschen Arbeiterklasse kamen, also aus der Klasse, aus der neue Armeerekruten eingezogen wurden, stieg die Besorgnis hinsichtlich der politischen Zuverlässigkeit der Armee. Diese Frage beschäftigte nicht nur die Militärpolitiker der Vorkriegszeit, sondern auch die sozialdemokratische Führung, die in der allmählichen Rotfärbung des Militärs durch den Zustrom proletarischer Rekruten einen Schlüssel zur künftigen, revolutionären Umgestaltung der deutschen Gesellschaft sah.19
Dem Zivilkabinett gelang es, eine geschönte Version der Rede der Presse zuzuspielen, und auf diese Weise konnte der Aufschrei der Empörung vermieden werden, den die Worte sonst womöglich ausgelöst hätten. Bemerkenswerterweise kritisierte auch Graf Waldersee Wilhelms Ansprache an die Rekruten, allerdings nicht wegen ihrer Härte, sondern weil er es für unklug hielt, wenn ein befehlshabender Offizier durchblicken ließ, dass preußische Soldaten jemals eine Befehlsverweigerung in Betracht ziehen könnten.
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